Die historische Bibliothek des Deutschen Kochbuchmuseums der Stadt Dortmund umfasst rund 10.000 Titel aus dem Bereich der Kochbuch- und Ratgeberliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts.
Ältere Werke gehören nicht zum Sammlungsschwerpunkt, sind aber in der Bibliothek als Nachdrucke vorhanden. Sie sind zudem kostspielig und selten auf dem freien Markt zu finden. Umso größer war die Freude, als dem Museum von einer Privatperson das Vollständige Nürnbergische Koch-Buch aus dem Jahre 1691 angeboten wurde. Da das Museum aktuell über keinen Investitionstetat verfügt, bot der Verein proKultur – Ehrenamt für Kultur in Dortmund an, das historische Kochbuch aus Spenden zu erwerben und dem Deutschen Kochbuchmuseum zu schenken.
Das vollständige Nürnbergische Koch-Buch gilt als eines der ersten Kochbücher, das sich an den bürgerlichen Haushalt wendet und nicht wie die älteren Kochbücher von Berufsköchen im Dienst des Adels zusammengestellt wurde. Zudem ist die über 1.000 Seite umfassende Rezeptsammlung von einer nicht genannten Anzahl „der Löbl. Koch-Kunst beflissenen Frauen zu Nürnberg“ getestet – auch dies ein Novum. Als Werk von Hausfrauen für Hausfrauen ergänzt dieses Werk daher den Bestand des Deutschen Kochbuchmuseums hervorragend
Wie aber konnte so ein kostspieliges Werk überhaupt gedruckt und veröffentlicht werden? Mit großer Wahrscheinlichkeit hat die Frau des erfolgreichen Nürnberger Verlegers Wolfgang Moritz Endter diese Rezeptsammlung zusammengestellt und sie von ihrem Mann produzieren lassen. Kein Hofkoch, kein Fürst, kein reicher Mäzen war also notwendig. Das Nürnbergische Koch-Buch wurde so erfolgreich, dass drei weitere Auflagen und eine Fortsetzung folgten.
Die 1.710 Rezepte sind systematisch sortiert und umfassend unter anderem 117 Suppenrezepte, 209 Fischgerichte, 208 Nebenspeisen, 47 Eierspeisen, 53 Rezepte für gebratenes und 140 für gesottenes Fleisch (inklusive Wild und Geflügel bzw. Singvögel). Aber auch 63 Torten- und 145 Backrezepte, 198 Konservierungsrezepte oder Anleitungen für 15 Essigsorten finden sich im Inhalt. Kulturhistorisch besonders interessant sind die Themen des Anhangs: Übersicht über die saisonalen Marktangebote, Menükarten und Speisenfolgen für Fest- und Alltag, Krankenkost und Fastenspeisen oder Bildtafeln zur Zerlegung von Rind und Kalb.
Das vollständige Nürnbergische Koch-Buch erhielt wie andere zeitgenössische Kochbücher seinen Namen nach dem Erscheinungsort – in diesem Fall eben Nürnberg. Doch sind diese 1.710 Rezepte natürlich keine typischen fränkischen Gerichte oder Besonderheiten, die nur in Nürnberg zubereitet wurden. Die meisten allgemeinen Kochbücher der Neuzeit – etwa auch das Praktische Kochbuch von Henriette Davidis – versammeln die gängigen Rezepte für den bürgerlichen Haushalt, die so in allen größeren Städten Deutschlands gekocht wurden und auch Modetrends unterworfen waren: das Nürnbergische Koch-Buch etwa beinhaltet bereits drei Rezepte mit der neuen Zutat Kartoffel.
Interessierte Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, alle diese Rezepte selbst nachzulesen. In der Bibliothek des Deutschen Kochbuchmuseums im Westfalenpark (Buschmühle) befindet sich ein vollständiger Nachdruck des Nürnbergische Koch-Buchs, das man an den regelmäßigen Beratungstagen, immer mittwochs von 10 bis 14 Uhr einsehen kann. Und wer das Deutsche Kochbuchmuseum unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen, am Donnerstag, den 14. Mai 2015 den Kochbuchflohmarkt von proKultur vor der Bibliothek zu besuchen und in den Dubletten zu stöbern. Diese doppelt vorhandenen Kochbücher wechseln gerne ihren Besitzer gegen eine Spende an proKultur, die wiederum dem Kochbuchmuseum zugute kommt.
Die geschenkte Kostbarkeit mit ledernem Einband wird voraussichtlich in der neuen Dauerausstellung des Deutschen Kochbuchmuseums ausgestellt werden, deren Wiedereinrichtung in der Volkshochschule Dortmund der Rat der Stadt Dortmund am 7. Mai 2015 beschlossen hat. Obwohl sich das Deutsche Kochbuchmuseum ab Herbst 2016 hauptsächlich auf die Entwicklungen des Essens und Trinkens nach 1945 konzentrieren wird, führt ein Prolog in die Geschichte des bürgerlichen Kochbuchs ein. Dort werden neben einem Hausväterbuch von 1702 und der Erstausgabe des Praktischen Kochbuchs von Henriette Davidis von 1845 auch das Nürnbergische Koch-Buch zu sehen sein.